Der schlummernde Friedrich
ein Gedicht von Otto Weber
Seht ihr die Felsenkrone,
hoch in der goldnen Au’ ?
Einst wie der goldene Morgen,
jetzt wie die Dämmerung grau?
Sonst war’s die Burg Kyffhausen, jetzt nur ein Trümmermeer,
drin schleicht im grauen Mantel,
die Sage hin und her.
O Schloss in alten Tagen,
vom Finkler aufgebaut,
du glichest in der Jugend,
wohl der geschmückten Braut!
Doch als die Freier kamen,
das Wetter und der Sturm,
verblich dein schimmernd Leuchten, an Mauer und am Turm.
Die Zeit mit ehrendem Fittich,
schlug an die Felsenwand
und brach nach langem Kampfe, der Mauer steinern Band.
Die Zinne sank gebrochen,
bis in das Tal verstreut.
Aus den zersprengten Riffen,
höhnt die Vergänglichkeit.
Und um die Riesenbrocken rankt Efeu sich empor.
Die Ulme zwängt die Wurzel,
in das gespaltene Tor.
Da ragt von hoher Warte,
ein grüner Riesenarm.
Drauf sitzt mit schwarzen Schwingen,
ein scheuer Rabenschwarm.
Dort, in des Berges Tiefe wölbt sich ein hoher Saal.
Der dehnt die weiten Hallen bis in das goldne Tal.
Und stützt auf hohe Säulen, der Bogen schwere Macht
und ferner glänzt die Wölbung,
als wie der Dom der Nacht.
Drin sitzt auf stolzen Throne,
das Zepter in der Hand,
die Krone auf dem Haupte,
im purpurnen Gewand.
Der Kaiser Barbarossa,
ein herrliches Gebild,
voll Majestät und Würde,
so ernst und doch so mild.
Der Bart in dunkeln Wellen,
fliegt üppig niederwärts,
und wärmt im alten Busen,
das starre Heldenherz.
Die Augen sind geschlossen,
das edle Haupt gesenkt,
wie eines, der versunken,
an große Taten denkt.
Er ist durch Merlins Zauber,
gebannet und verflucht,
zum Schlummern und zum Träumen, in dieser Bergesschlucht.
Bis einst den Schwarm der Raben, ein kühner Narr verscheucht.
Der laufend mit den Schwingen,
aus Deutschlands Norden steigt.
Dann soll er wiederkehren,
der kaiserliche Held
und Deutschland wieder heben,
zum ersten Reich der Welt.
Und Deutschland wieder einen,
sollst du gelobte Zeit!
Du Paradies voll Palmen,
sag’ an, bist du noch weit?
Einst trieb ein Hirtenknabe,
die Geißen durch das Tal
und vor sich nieder träumend,
fand er den Zaubersaal.
Und als er von dem Schimmer geblendet um sich sah,
saß schlummernd, wie im Bilde,
ein greiser König da.
Da rauschten süße Töne,
wie ferner Harfenklang,
dass es dem zarten Knaben bis in seine Seele drang.
Uns als die letzten Klänge
im weiten Raum verhallt,
erhob sich auf dem Throne
die schlummernde Gestalt.
Er öffnete seine Augen
und fragte im Geisterton,
»umkreisen noch die Raben,
des Berges Felsenkron« ?
»Sprich, oder sitzt ein Adler,
hoch oben auf der Wart?«
Drauf nickt er mit dem Haupte
und schüttelte den Bart.
»Herr«, sprach der Hirt, »die Raben, umkreisen noch die Höhn.
Den Adler konnt ich nimmer,
wie weit ich sah, erspähen.«
Da seufzte Rotbart düster,
»dann sind’s noch hundert Jahr!
Schlaf ein, du müde Seele,
noch schläft des Nordens Aar!«
Kann mir denn keiner sagen,
wann jener Hirt gelebt?
Ich dächte ein Jahrhundert,
sei wahrlich schon entschwebt.
Entrollt, entrollt Jahrzehnte,
fahrt wie im Sturm dahin!
Noch schlummert Barbarossa.
Wenn Adler weckst du ihn?
Ein Gedicht aus dem Buche,
»Der deutsche Kaisertraum und der Kyffhäuser« (1887)
📱 t.me/HueterderIrminsul