Als die Zeit gekommen war, gab er den Korb mit den Steinen an seinen Sohn weiter.
Der Sohn war darüber sehr unglücklich und fragte: „Warum muss ich all diese schweren Steine tragen, Vater?“
Der gebeugte Mann antwortete: „Dein Urgroßvater hat sie getragen. Dein Großvater hat sie getragen. Ich habe sie getragen. Jetzt ist es an Dir, die Steine zu tragen.“
Betrübt nahm der Sohn den Korb von seinem Vater.
Die Steine waren schwer. Sie drückten ihn nieder. Doch mit der Zeit gewöhnte er sich daran und fand sich damit ab.
„Das Leben ist schwer“, sagte er sich. „Für meinen Großvater war es schwer. Für meinen Vater war es schwer. Und für mich ist es eben auch schwer.“
Irgendwann wurde er selbst Vater. Und als die Zeit, den Korb weiterzugeben, näher rückte, wurde ihm schwer ums Herz.
Er wollte nicht, dass auch seine Tochter ihr ganzes Leben lang diese Steine tragen musste.
So machte er sich auf den Weg zum Baum der Ahnen, der auf einem hohen Berg lag.
Als er endlich mitsamt all den Steinen auf seinem Rücken beim Baum ankam, war er sehr erschöpft.
Er kniete nieder und wandte sich an den Baum: „Ich will die schweren Steine nicht an meine Tochter weitergeben. Bitte zeig mir einen Ausweg.“
Danach fiel er in einen tiefen Schlaf.
Im Traum fand er sich vor einem großen, warmen Lagerfeuer wieder.
Eine Frau mit einer blauen Feder im Haar lächelte ihn freundlich an und er erkannte, dass es seine Großmutter war, die vor vielen Jahren die Welt der Lebenden verlassen hatte.
Auch seine Urgroßeltern und alle, die vor ihm gelebt hatten, standen um das Feuer herum.
„Warum wollt ihr, dass ich all diese schweren Steine trage?“, fragte er.
„Aber das wollen wir gar nicht“, antwortete seine Großmutter. „Manches geben wir weiter, obwohl wir es nicht wollen. Und manches geben nicht weiter, obwohl wir es wollen. Der Korb, den Du auf Deinem Rücken trägst, enthält nicht nur Steine. Schau einmal!“
Und sie half ihm, die Steine aus dem Korb zu nehmen.
Da entdeckte er, dass in seinem Korb noch andere Dinge lagen.
Eine getrocknete Blume zum Beispiel, die an eine Zusammenkunft auf einer Sommerwiese erinnerte.
Ein Pinsel, der für die Freude am Malen bunter Bilder stand.
Und ein feiner goldener Ring.
„Diesen Ring hat mir Dein Großvater geschenkt, um mir seine Liebe zu zeigen“, erzählte die Großmutter glücklich.
„Wie schön“, antwortete er gerührt und dachte an seine Tochter.
„Diese Dinge möchte ich gerne weitergeben. Doch was ist mit den Steinen? Muss ich sie jetzt wieder alle in den Korb tun?“
„Wenn Du das willst.“
„Dann erlaubt ihr mir, die Steine loszulassen?“
„Nein“, antwortete die Großmutter. „Das kannst nur Du selbst Dir erlauben.“
„Dann lasse ich sie bei euch“, entschied er und lächelte, da ihm leicht ums Herz wurde.
Als er aufwachte, waren keine Steine mehr in seinem Korb. Aber eine getrocknete Blume, ein Pinsel, ein goldener Ring und viele weitere schöne Dinge.
Auch die blaue Feder, die seine Großmutter in ihrem Haar getragen hatte, war mit dabei - als Erinnerung an den Traum mit seinen Vorfahren, in dem er die schweren Steine abgelegt hatte.
Seine Tochter freute sich sehr, als er seinen Korb an sie weitergab.
„Danke Vater“, sagte sie. „Jetzt weiß ich: Meine Großmutter hat Freude und Glück erlebt. Du hast Freude und Glück erlebt. Und ich werde in meinem Leben auch Freude und Glück erleben.“
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