Der Stuttgarter Aufstand vom 28. Oktober 1948
Zahlreiche vorangegangene Proteste fanden in Stuttgart ihren Höhepunkt, als sie mit US-Panzern niedergeschlagen wurden.
Die verschwiegene Geschichte ist ein Lehrstück – nicht nur über die Macht des Volkes – das ohne Eingreifen der Alliierten ein anderes Potential gehabt hätte.
Die »Stuttgarter Vorfälle« waren die Antwort auf die Währungsreform, die Entscheidungen von Ludwig Erhard und den sozialen Druck auf die Bevölkerung.
Das Bemerkenswerteste am »heißen Herbst 1948« war das gemeinsame Agieren der Menschen in einem derartigen Maße völlig unabhängig von Verbänden.
Konsumgüter wurden knapp, da Unternehmen sie in Erwartung einer Währungsreform horteten, soweit es sich nicht um verderbliche Ware handelte.
Am 20. Juni wurde in den Westzonen die Deutsche Mark eingeführt, den Bewohnern wurde ein Kopfbetrag im Umtausch 1:1 von 60 DM in zwei Raten ausgegeben, wobei sie das gesamte Altgeld abzugeben hatten, das sie umtauschen wollten.
Erst am 27. Juni wurde der generelle Umtauschkurs 10:1 und am 7. Oktober die Umstellung der Bankguthaben von 10 Reichsmark zu 0,65 DM bekannt gegeben. Ausgenommen waren Löhne, Mieteinnahmen und Renten.
Gewinner waren Sachwertbesitzer, Hypotheken waren sie mit einem Schlag los. Beim Aktienkapital war die Umstellung 10:8,2, während die Mehrheit 94 % ihres Geldvermögens verlor. Besonders hart betroffen waren die Vertriebenen.
Gleichzeitig stiegen die Preise. Kostete ein Ei vor der Währungsreform noch 30 Pfennig, waren es danach 35 und im Oktober 85 Pfennig. Es blieb beim Lohnstopp und einem durchschnittlichen Monatslohn von 140 DM. Die Zahl der Arbeitslosen verdoppelte sich.
Der Unmut entbrannte sich zunächst gegen die Händler. Es kam zu »Eiertumulten«, es flogen Tomaten, Äpfel, Gänse… von Lübeck bis München. Marktbesucher, die trotz Boykott-Aktionen Waren kauften, wurden von der protestierenden Menge geohrfeigt.
Ab Herbst richteten sich die Proteste auch gegen die Politik, Erhard wurde zum unpopulärsten Mann. Die Presse schränkte derartige Berichte zunehmend ein.
Der 28. Oktober begann in Stuttgart mit einer gewerkschaftlichen Protestkundgebung mit bis zu 100.000 Anwesenden und Plakaten wie »Wir wollen leben, nicht vegetieren!« und Galgen, unter dem eine Schlinge mit Schild baumelte »Weg mit dem Preiswucher – oder ...!«
Nach der Demonstration empörten sich einige über die elegante Ausstattung und die hohen Preise in den Schaufenstern und zertrümmerten sie. Die eingreifende „Polizei“, die mit Stöcken attackiert wurde, rief die Military Police zur Hilfe, die die Einkaufsmeile mit Gewehren und Tränengas räumte.
Die Auseinandersetzungen verlagerten sich auf den Bahnhofsvorplatz, dort wurden die amerikanischen Jeeps mit Steinen beworfen. Gegen weitere »Zusammenrottungen«, die sich bis in die späten Abendstunden fortsetzten, kamen schließlich Panzer sowie eine Kavallerie zum Einsatz.
General Clay ließ für Stuttgart eine zeitlich unbefristete Ausgangssperre von 21 bis 4 Uhr verhängen, bei Verstoß gab es Schnellgerichte der amerikanischen Militärregierung.
Die Frankfurter »Abendpost« sah folglich in einem »Mit Bajonett und Panzern« überschriebenen Leitartikel bereits am 29. Oktober für Westdeutschland den Weg in eine »Diktatur von links« vorgezeichnet.
Am 12. November 1948 folgte der »einzige politische Streik in der Geschichte der „Bundesrepublik“, der die Machtverhältnisse in Frage stellte« mit Teilnehmern in Millionenhöhe. Versammlungen aller Art waren verboten. Die Streikbeteiligung lag mit 79 % weit über der Zahl der Gewerkschaftsmitglieder.
Störungen des Streikgeschehens gab es von der Arbeitgeberseite. Sie behaupteten, in anderen Werken würde gearbeitet, was rasch durchschaut wurde, oder sie stellten Streikbrecher ein, gegen die die streikenden Arbeiter vorgingen, es kam zu Prügeleien und deren Vertreibung.
Es folgten schließlich Maßnahmen zur Preisüberwachung, die Bestrafung von Wucher und billige Konkurrenz mit Jedermann-Produkten. Der bereits am 3. November 1948 aufgehobene Lohnstopp zeigte nicht so schnell seine Wirkung.