FUNKWETTER WEEKLY – Die Winteranomalie
Zurzeit, zum Beginn des Winters (21. DEZ. 2024, 0921 UTC) und bei einem solaren Fluxindex SFI von um die 175 Einheiten, sind die hohen MUF-Werte von 40 MHz und mehr (für eine Sprungdistanz von 3000 km) bzw. eine foF2 von rund 14 MHz besonders auffällig - siehe auch https://www.ionosonde.iap-kborn.de/actuellz.htm#muf. Vor sechs Monaten, zum Sommerbeginn, lagen die Werte bei einem SFI von immerhin rund 200 Einheiten bei nur etwa 25 MHz (MUF3000) bzw. um die 8 MHz (foF2). Eine höhere MUF3000 bzw. foF2 im Winter, trotz eines geringeren SFIs?
Es widerspricht der Erwartung, dass die Ionisation im Sommer höher als im Winter sein sollte. Fachleute sprechen bei diesem ionosphärischen Phänomen daher von der sogenannten Winteranomalie, bei der das Ionisierungsniveau der F2-Region höher ist als im Sommer. Diese Anomalie wird seit den 1930er Jahren untersucht und steht in direktem Zusammenhang mit der Sonnenaktivität. Auf der Nordhalbkugel ist sie quasi von Jahr zu Jahr zu beobachten, während sie auf der Südhalbkugel bei geringer Sonnenaktivität meist fehlt.
Berkner und Wells fanden bereits in den 1930er Jahren eine starke Anomalie in Daten aus Washington (USA), mit einem Maximum im nördlichen Winter (November-Februar), während die Stationsdaten aus Watheroo (Australien) keine Anomalie zeigte. Zuvor hatten schon Appleton und Naismith erstmals über anomale Winter-Sommer-Ergebnisse in England berichtet.
Torr und Torr (1973) analysierten Daten von Ionosonden weltweit und erstellten eine Karte der Regionen mit Winteranomalie. Sie fanden intensive Anomalien in hohen Breiten, etwa im Arktischen Ozean und teils im Indischen Ozean südwestlich von Australien.
Die Ursachen der Winteranomalie sind noch nicht ausreichend erforscht, sie könnten jedoch auf Änderungen der neutralen Zusammensetzung in der F-Region zurückzuführen sein, insbesondere auf das Verhältnis von Sauerstoff zu Stickstoff, verursacht durch Konvektion von atomarem Sauerstoff von der Sommer- zur Winterhemisphäre sowie jahreszeitliche Schwankungen der thermosphärischen Winde.
Den DXer wird die Winteranomalie in diesen Tagen und Wochen jedenfalls freuen. Die Grenzfrequenz steigt mit Beginn des Tages rasch an, 10 m öffnet kurz nach Sonnenaufgang. Um die Mittagszeit gibt es gewöhnlich ein Maximum um 40 MHz. Nach Sonnenuntergang fällt die Grenzfrequenz rasch ab, oft unter 10 MHz, so dass alle Bänder oberhalb von 40 m geschlossen sind. Bei Störungen des Erdmagnetfelds kann sie nachts noch weiter absinken, in der letzten Woche kam es teils zu Nachtwerten um nur noch 5 MHz.
Die zurzeit mäßige Sonnenaktivität führt insgesamt zu weniger Flareaktivität, was bedeutet, dass wenig koronale Masseauswürfe auftreten und die Geomagnetik an den meisten Tagen ungestört ist. Dies ist besonders vorteilhaft für DX auf den unteren Bändern während der langen Nächte.
Doch wie lange noch? Ein starker Masseauswurf fand bereits Ende der Woche auf der Rückseite der Sonne statt, was auf eine sehr aktive Region hindeutet. Zu Beginn der neuen Woche könnten sich daher wieder gestörte Bedingungen auf den unteren Bändern einstellen. Die guten Bedingungen auf den höheren Bändern werden davon wenig berührt sein.
Das Funkwetterteam des DARC wünscht allen Lesern besinnliche und friedliche Feiertage sowie einen stets störungsfreien Empfang, bis zum nächsten Samstag, 73 de Tom DF5JL - mit aktuellen Informationen von DK0WCY, SWPC/NOAA, NASA, USAF 557th Weather Wing, STCE/KMI Belgien, IAP Juliusruh, SANSA South African National Space Agency, WDC Kyoto, GFZ, Met Office UK, DL1VDL/DL8MDW/DARC-HF-Referat, FWBSt RHB / DF5JL