und Wirkung gibt. Ein Psychotiker wird durch
Thorazine fügsam, ein Depressiver wird durch Prozac
zufrieden gestellt.
Was in diesem Modell des Geistes und der Psychiatrie fehlt - und wir sprechen hier von einer enormen
Lücke -, ist der Blick auf den Geist in seinem Zusammenhang.
Weil das Denken als ein isolierter mechanischer
Vorgang verstanden wird, der unabhängig von seiner
Umgebung abläuft, ist es der Psychiatrie nicht möglich,
den größeren Zusammenhang zu erfassen. Das rührt daher, dass dieser größere Zusammenhang der Wissenschaft ganz allgemein nicht bekannt ist.
So verblüffend es auch scheint, für Bewusstsein gibt
es in der Wissenschaft kein Modell. Es gibt keine allgemeine Feldtheorie für das Bewusstsein. Das ist so, obwohl das Bewusstsein der Kontext ist, in dem sich der
Geist und sämtliche seiner Erscheinungen - einschließlich Wissenschaft und Psychiatrie - entfalten.
In der Welt der Therapie gibt es keine grundlegenden Lösungen. So etwas hat es nie gegeben.
Wenn wir psychologische Konflikte lösen wollen,
müssen wir uns anderswohin wenden.
Erstens müssen wir erkennen, wie unser Konzept
von Zeit dazu beiträgt, seelische Strukturen aufrechtzuerhalten und sie zu verewigen. Ohne unsere Auffassung von Zeit gäbe es keine Vorstellung von «besser
werden», «es durcharbeiten», «einen psychologischen
Prozess durchlaufen» und was der Begriffe mehr sind,
um psychologischen Fortschritt auszudrücken. Ohne
unsere Auffassung von Zeit gibt es immer nur ein Ereignis aufs Mal. Was geschieht, ereignet sich in der
Gegenwart und ist offensichtlich zu erkennen, falls wir
es erkennen wollen. Die Hilfe eines Vermittlers ist nicht
vonnöten.
Ohne unsere Auffassung von Zeit ereignet sich alles immer nur in der Gegenwart: der psychologische
Konflikt, unsere Verbindung damit, die Lösung und die
damit verbundene Einsicht.
Zweitens müssen wir uns mit dem psychologischen
Gedächtnis befassen. Als Teil unseres Denkens hat es den Verlauf von Ereignissen nicht so verzeichnet, wie
sie eintraten, sondern so, wie sie für uns eintraten. Dieser Einbezug des Subjekts in die Geschichte, die andauernde Projektion dieser Verbindung von Subjekt und
Geschichte in die Zukunft, bildet die Grundlage psychologischer Probleme.
Zeit und Gedächtnis sind zwei Aspekte unseres Denkens. Wenn wir ihr Wechselspiel vollends erfassen, treten die psychologischen Probleme in einer zugänglichen,
unmittelbaren Gegenwart hervor. Einen anderen Ort
in der Zeit gibt es für sie nicht.
Nun, da ein Problem in der unmittelbaren Gegenwart vor uns steht, was fangen wir damit an?
Ganz und gar nichts.
In Bezug auf ein Problem irgendetwas zu unternehmen, heißt, einem Problem Energie und Nahrung zuführen. Wenn wir ein Problem in den Griff bekommen
wollen, um es zu manipulieren, die Sache zu verbessern
oder sie zum Verschwinden zu bringen, so führt das
bloß dazu, dass das Problem sich auf der Ebene unserer Wirklichkeit verfestigt.
Wir haben das Problem verfestigt, indem wir uns
auf seine Lösung fixiert haben. Und weil sich die angestrebte Lösung nicht einstellen will, haben wir auch noch
ein zusätzliches Problem geschaffen.
Was geschieht, wenn wir nichts tun? Nichts. Das
Problem hat niemanden, den es in Anspruch nehmen
könnte. Es fehlt ihm die Energie. Es fehlt ihm ein Gegner. So vermag es nicht mehr länger zu existieren. Es ist
nicht mehr Teil unserer Wirklichkeit.
Das ist die Lösung von psychologischen Problemen.
Möglich ist sie nur in der Gegenwart. Wir brauchen
dazu keine Hilfe. Was von uns verlangt wird, ist nicht
mehr als unsere Stille.
🙏🙏🙏🙏