Über die Rolle und Relevanz von Baukunst
Gebäude schaffen Identität. Unsere Vorfahren wussten das: Egal ob Bahnhofsgebäude, Museen, Opernhäuser, Rathäuser oder sogar viele Wohnhäuser - sie alle waren kleine Kunstwerke. Ganz zu schweigen natürlich von den unzähligen Schlössern, Kathedralen und Domen auf deutschem Boden.
Bis zum 2. Weltkrieg war Deutschland ein in architektonischer Hinsicht geradezu märchenhaftes Paradies; eine Mischung aus romanischen, gotischen, im Renaissance-Stil errichteten, barocken und klassizistischen Gebäuden. Durch Zeichnungen und später auch Foto- und Videoaufzeichnungen können wir noch heute in diese Schönheit eintauchen.
Während der 1. Weltkrieg noch den Großteil der deutschen Städte unbeschadet hinterließ, war Deutschland nach 1945 fast gänzlich in Schutt und Asche gelegt worden. Danach folgte der möglichst rasche und pragmatische Wiederaufbau, in dem Ästhetik selbstredend keine große Rolle spielte.
Was Viele jedoch nicht wissen: Es gab durchaus symbolträchtige Bauten, welche die Bombardierungen weitgehend überstanden hatten. Etwa das alte Bahnhofsgebäude in Köln, die daneben stehenden Türme der Hohenzollernbrücke, das große Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Berlin und sogar einige Innenräume des Reichstagsgebäudes. Sie wären einfach zu renovieren gewesen. Es war die mutwillige Entscheidung der politischen Eliten, sowohl in Westdeutschland, aber vor allem seitens des DDR-Regimes, diese Bauwerke abzureißen.
Teilweise mussten sie des sich allmählich einschleichenden, modernen Baustils weichen. Ebenso spielten jedoch politische Motive eine Rolle: In der DDR wollte man jede Erinnerung an das Kaiserreich auslöschen und auch in Westdeutschland wurde bewusst auf Prunk und Eleganz verzichtet, um das deutsche Nationalbewusstsein klein zu halten.
Sinnbildlich dafür steht der Umbau des Reichstagsgebäudes: Dieses einst detailverliebt gestaltete Kunstwerk der Neorenaissance, das von der Inneneinrichtung einer Oper oder einem Schloss glich, ohne dabei jedoch so überladen wie der Versailles-Palast zu wirken, wurde 1999 zu einer von nüchterner Hässlichkeit charakterisierten Peinlichkeit umgebaut. Es gleicht heute mehr einer Zahnarztpraxis oder einem Versicherungsbüro als dem repräsentativen Parlamentsgebäude einer stolzen Nation, und das war auch genau so beabsichtigt. Wo früher verziertes dunkles Eichenholz, Statuen, Gemälde und dunkelrote Wände waren, befindet sich heute ein kühles, austauschbares Konglomerat aus Glas, Metall und hellem Holz, garniert mit einem als "fette Henne" verspotteten Aluminium-Adler.
Ich bin mir sicher: In einer von Schönheit geprägten Umgebung gehen Menschen auch achtsamer mit ebenjener um. Historische Gebäude schaffen eine intergenerationelle Verbindung und Identifikation mit der Heimatstadt. Abendländische Baukunst schafft überhaupt erst ein Heimatgefühl, macht uns zu Somewheres statt Anywheres. Und eine Heimat, die auf den ersten Blick ebenso schön wie unverwechselbar und geschichtsträchtig ist, animiert ihre Bewohner auch dazu, gepflegt und verteidigt zu werden.
Die moderne Architektur ist eine Inkarnation moderner westlicher Dekadenz: Schnell, effektiv, günstig - aber eben austauschbar und seelenlos. Ganz so, wie immer mehr ihrer Bewohner vereinsamen, depressiv werden und im Nihilismus versinken.
Wer zu diesem Thema ähnlich denkt und fühlt wie ich, dem möchte ich den Verein "Stadtbild Deutschland" empfehlen, von dem auch dieses aufschlussreiche Video stammt. "Stadtbild Deutschland" setzt sich mit vielen tollen Initiativen für eine Verschönerung und eine Renaissance der Heimatverbundenheit unserer Städte ein.