#DIEWELT 21. 10. 24
Maron: Also früher, in der DDR, wenn ich aufs Land gefahren bin, in mein Haus an der Grenze zu Polen, da habe ich gedacht: Der Himmel gehört ihnen nicht, das Wetter gehört ihnen nicht, wenn es blitzt und donnert, können sie nichts dagegen tun, es war der Raum der Freiheit. Jetzt denke ich, der Himmel gehört ihnen, der Wind und die Sonne gehören ihnen, wenn ich abends vor die Tür trete, blinken mich die roten Augen der Windräder an, das ganze Klima gehört ihnen, es wurde vergesellschaftet. Überhaupt gibt es so vieles, was mich fassungslos macht, diese neuen „Meldestellen“ zum Beispiel, wo man Leute anzeigen kann, die irgendetwas „unterhalb der Strafbarkeitsschwelle“ gesagt oder getan haben. Was denken Sie, woran mich das erinnert?
Broder: Haben Sie öfter solche Déjà-vu-Momente?
Maron: Vor 1989, als ich schon in Hamburg wohnte, aber hin- und herfahren konnte, hatte ich jedes Mal, wenn ich bei Zarrentin über die Grenze fuhr, von Ost nach West, ein geradezu heiliges Gefühl von Freiheit …
Broder: … und jetzt?
Maron: Damals wusste man: Es gibt ein anderes Leben, es gibt den Westen. Und jetzt frage ich mich: Wohin könnte man noch gehen? Wenn es normal wird, einander anzuzeigen, zu melden und das Wort „Freiheit“ als eine „Delegitimierung“ des Staates verstanden werden könnte.
(...)
Broder: Wie weit sind Sie schon mit dem „Zufall“?
Maron: Noch nicht sehr weit. Ich weiß natürlich, dass mich meine permanente Beschäftigung mit Gegenwärtigem am Eigentlichen hindert. Es ist wohl eine Art Suchtverhalten, in der vagen Hoffnung auf ein Wunder, und wenn ich mir vornehme, ich schaue nicht mehr ins Internet, ich gucke nicht in die Zeitung, dann ist es wie mit dem Rauchen – plötzlich habe ich eine Zigarette in der Hand.
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𝗕𝗲𝗳𝗿𝗲𝗶𝘁𝗲𝗿.𝗕𝗹𝗶𝗰𝗸
t.me/BefreiterBlick